Blick in die Sammlung des Kunsthaus Zürich mit «Acht Lernschwestern» (1966) von Gerhard Richter, © Gerhard Richter, Foto © Caroline Minjolle

Das Kunsthaus Zürich wird getragen von dem ältesten Kunstverein Europas, der Zürcher Kunstgesellschaft. Von Künstlern im Jahr 1787 gegründet, hat es sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts durch seine kontinuierliche Ausstellungstätigkeit und eine bedeutende Kunstsammlung internationales Ansehen erworben. Unterstützt von der öffentlichen Hand sowie von Partnern, Sponsoren und Gönnern setzt es auf eine stete Weiterentwicklung der Sammlung und gestaltet ein breit gefächertes Ausstellungsprogramm.

Das Kunsthaus ist eine dynamische Institution: Es beleuchtet das historisch Gewachsene, indem es von aktuellen Fragestellungen ausgeht und durch Auswahl, Präsentation und Vermittlung die Kenntnisse über die Kunstwerke fördert. Das Kunsthaus ist ein Ort der Wissensproduktion, wo wichtige Themen zur Diskussion gestellt und begleitet von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen präsentiert werden. Vor dem Hintergrund der globalen Vernetzung findet die Öffnung zu anderen Kulturräumen statt. Die Ausdehnung in den virtuellen Raum bietet Chancen, die genutzt und ausgebaut werden.

Das Kunsthaus ist auf kommende Herausforderungen vorbereitet. Mit der Kunsthaus-Erweiterung von Sir David Chipperfield erschliesst sich die Institution neue Möglichkeiten zur zeitgemässen Umsetzung ihrer Aufgaben. Die Kunsthaus-Erweiterung hat Räume geschaffen für die moderne und zeitgenössische Kunst, für die Meisterwerke des Impressionismus, für die langfristige Integration von Donationen und Stiftungen und für ein effizienteres Ausstellungswesen. Zugleich sind Räume für ein breites Spektrum an Veranstaltungen entstanden, für differenzierte Programme der Kunstvermittlung, ein vielfältiges gastronomisches Angebot und für einen modernen Besucherservice. Damit wurde eine Entwicklung eingeleitet, welche die nationale und internationale Ausstrahlung weiter stärken und das Modell Kunsthaus Zürich erfolgreich in die Zukunft führen kann.

Im Einzelnen

Träger und Partner

Die Zürcher Kunstgesellschaft mit rund 24'000 Mitgliedern bildet die Basis für die Tätigkeit des Kunsthauses. Die Mitglieder tragen mit ihren Jahresbeiträgen massgeblich zur Realisierung der Ausstellungen bei und fördern die Erwerbungstätigkeit. Der Jahresbericht der Kunstgesellschaft ist öffentlich zugänglich und informiert über die Organisation, den Geschäftsgang und alle Aktivitäten. Das Kunsthaus Zürich ist seit 1910 am Heimplatz in einem mehrmals erweiterten Bauensemble von hoher architektonischer Qualität beheimatet. Alle Liegenschaften sind im Eigentum der eigenständigen Stiftung Zürcher Kunsthaus, die sie der Zürcher Kunstgesellschaft zur Nutzung zur Verfügung stellt.

Das Kunsthaus Zürich erhält jährliche Subventionen von Stadt und Kanton Zürich, die zwischen vierzig und fünfzig Prozent des Gesamtbudgets ausmachen. Eigene Einkünfte werden zusätzlich aus Eintrittsgeldern und Shopeinnahmen sowie Vermietungen generiert, sodass der Eigenfinanzierungsgrad im langjährigen Mittel bei über fünfzig Prozent liegt. Darüber hinaus erfährt das Kunsthaus substantielle Unterstützung von zahlreichen Firmen, Stiftungen und von privater Seite. Ohne diese Kooperationen wäre das breite Angebot für die Öffentlichkeit nicht gewährleistet.

Die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, ein 1917 gegründeter eigenständiger Förderverein mit über 850 Mitgliedern, stellt zusätzliche Mittel für die Erwerbung von Kunstwerken zur Verfügung.

Sammlungen

Die Kunstsammlung ist zum grössten Teil im Eigentum der Zürcher Kunstgesellschaft. Sie spiegelt die Geschichte der Institution und den Wandel der Gesellschaft. Ihre Erschliessung umfasst die Erforschung und die Vermittlung in die breite Öffentlichkeit gleichermassen. Die Sammlung gibt Orientierung über kunsthistorische Zusammenhänge und bietet Gelegenheit, Kunstwerke unterschiedlicher Epochen in einem dynamischen Dialog zu erleben. Darüber hinaus ist sie Impulsgeber für Ausstellungsprojekte, und umgekehrt wirken temporäre Ausstellungen als Katalysator für die Sammeltätigkeit.

Das Inventar der Kunstsammlung umfasst rund 4’000 Gemälde, Skulpturen und Werke anderer Gattungen sowie ca. 100‘000 Werke auf Papier. Die Handzeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien aus fünf Jahrhunderten werden in der 1915 geschaffenen Grafischen Sammlung aufbewahrt. Ungefähr zwei Drittel der Kunstsammlung stammen aus grosszügigen Donationen und Vermächtnissen, vornehmlich aus Zürich und der Schweiz. Die komplette Sammlung der Gemälde und Skulpturen ist in einem Gesamtkatalog publiziert, der auch elektronisch zugänglich ist.

Die Geschichte der Kunstsammlung wurde seit den 1990er-Jahren gründlich erforscht. Die Herkunft der Werke der Sammlungsbestände wurden im Kunsthaus Zürich schon seit seiner Gründung 1910 als Teil der Objektgeschichte dokumentiert und erstmals im Sammlungskatalog von 2007 umfangreich publiziert. Seitdem werden die Bildakten laufend um neue Erkenntnisse erweitert.

Das Kunsthaus Zürich verfügt über eine bemerkenswert grosse und reichhaltige Bibliothek mit mehr als 265‘000 Einheiten, die öffentlich zugänglich ist sowie über ein umfassendes Archiv, das der Wissenschaft zur Verfügung steht. Die Erhaltung der Sammlungen und die Restaurierung von Kunstwerken ist ein kontinuierlicher Auftrag, der aus eigenen sowie aus zusätzlichen privaten Mitteln geleistet wird.

Sammlungsprofil

Die Sammlung der Gemälde und Skulpturen enthält Werke vom Mittelalter bis zur Gegenwart, wobei nicht alle Epochen gleich stark vertreten sind. Entsprechende Publikationen geben Überblicke der Sammlungen und ihrer Entstehungsgeschichte. Das Kunsthaus verfügt neben der älteren Kunst (vor allem der niederländischen und italienischen Barockmalerei) über bedeutende und grosse Bestände der Schweizer Kunst des 18., 19. und 20 Jahrhunderts, insbesondere von Füssli, Böcklin, Segantini, Hodler und Vallotton. Das Werk von Alberto Giacometti kann Dank der dauerhaften Präsenz der Alberto Giacometti-Stiftung in allen Facetten gezeigt werden.

Bei der internationalen Kunst liegt ein Schwerpunkt auf der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts mit herausragenden Werkgruppen des Impressionismus und Postimpressionismus, die durch Leihgaben aus Privatbesitz gezielt ergänzt werden. Die Klassische Moderne ist durch Hauptwerke repräsentiert und enthält wichtige Werkgruppen von Munch, Chagall, Kokoschka, Matisse und Picasso. Die Dada-Sammlung gehört zu den grössten weltweit. Die Skulptur des späten 19. Jahrhunderts mit Rodin und Maillol und des 20. Jahrhunderts ist breit vertreten. Bei der neueren internationalen Kunst sind alle wichtigen Positionen präsent, vor allem die amerikanische Pop Art und Abstraktion sowie umfangreiche Konvolute von Cy Twombly und Josef Beuys. Die deutsche Malerei der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist durch Werkgruppen von Baselitz, Polke und Kiefer akzentuiert. In jüngster Zeit erfuhr die Sammlung substantielle Ergänzungen auf den Gebieten Malerei, Video und Installation, wobei auch osteuropäische Kulturräume sowie der nahe und mittlere Osten eine Rolle spielen. Alle Neuerwerbungen werden regelmässig in den Jahresberichten der Kunstgesellschaft dokumentiert.

Das Kunsthaus Zürich arbeitet traditionell mit Stiftungen und privaten Leihgebern zusammen, die Kunstwerke als Dauerleihgabe bzw. zum dauernden Verbleib zur Verfügung stellen. Diese Kooperationen tragen mittel- und langfristig zur hohen Qualität der Sammlung und ihrer internationalen Ausstrahlung bei. Zu den am Kunsthaus dauerhaft beheimateten Stiftungen zählen die Betty und David Koetser-Stiftung, die Ruzicka-Stiftung, die Werner und Nelly Bär-Stiftung, die Alberto Giacometti-Stiftung, weitere Stiftungen und Konvolute aus Privatbesitz sowie die Sammlung Emil Bührle, die Sammlung Gabriele und Werner Merzbacher, die Sammlung Knecht und die Fondation Hubert Looser, die in der Kunsthaus-Erweiterung gezeigt werden können.

Sammeltätigkeit

Der aktuelle Schwerpunkt der Sammeltätigkeit liegt auf der internationalen Kunst der Gegenwart in den Gattungen Malerei, Photographie, Kunst auf Papier, Video, Plastik und Installation. Die Sammeltätigkeit, die im Verantwortungsbereich des Sammlungskonservators liegt, entwickelt sich im Austausch zwischen den Kuratorinnen und Kuratoren und vor dem Hintergrund des vorhandenen Besitzes, indem Schwerpunkte um markante Werke bereichert und neue Akzente gesetzt werden. Bei der zeitgenössischen Kunst hat das Kunsthaus eine kontinuierliche Erwerbungstradition, die im Kontext der Sammlung aktiv weitergeführt wird. Die Institution legt Wert auf ihre Unabhängigkeit von Partikularinteressen.

Neben der künstlerischen Qualität werden bei Erwerbungen stets die Provenienzen sowie konservatorische Fragen berücksichtigt. Ein Teil der Erwerbungen erfolgt aus dem statuarisch festgelegten Beitrag, den die Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft leisten. Im Hinblick auf die Kunsthaus-Erweiterung werden ausgewählte Künstlerinnen und Künstler gezielt für Kunstwerke beauftragt

Das Augenmerk liegt auf der zeitgenössischen Kunst. Die Erwerbungen berücksichtigen ausdrücklich Werke von Künstlerinnen und Künstlern mit internationalem Renommé, die aus der Schweiz stammen oder hier ansässig sind. Der grössere Teil dieser Erwerbungen erfolgt aus jährlich budgetierte Mitteln, die statutarisch festgelegt sind. Bei der älteren Kunst werden die Bestände durch Einzelwerke bereichert, auch unter Aufbietung privater Unterstützung und von Stiftungen. Eine längerfristige Ergänzung erfolgt auf dem Gebiet der niederländischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts und der italienischen Malerei, nicht zuletzt durch grosszügiges mäzenatisches Engagement. Besondere Aufmerksamkeit bei Akquisitionen gilt der französischen Kunst von der Romantik bis zum frühen Impressionismus sowie charakteristischen Einzelwerken der Schweizer Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts wie auch ganzer Konvolute. Bei der Klassischen Moderne wird die Sammlung vornehmlich mit Unterstützung der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde ergänzt, ferner durch Donationen, gezielte Dauerleihgaben und Legate.

Provenienzforschung

Die Zürcher Kunstgesellschaft weiss um die Verantwortung für das im Kunsthaus Zürich beherbergte kulturelle Erbe. Die öffentliche Präsenz der Sammlung und das Wissen um ihre historischen Hintergründe sind wesentlich für unser kulturelles Selbstverständnis.

Ziel der Provenienzforschung ist die Aufarbeitung der Besitzverhältnisse von Kunstwerken seit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung. Im Fokus stehen Werke, welche während der Zeit des Nationalsozialismus und der Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden sowie anderen Minderheiten einen Besitzerwechsel erfuhren.

Im März 2023 verabschiedete der Vorstand der Zürcher Kunstgesellschaft und die Geschäftsleitung des Kunsthauses Zürich eine Strategie für die Provenienzforschung aufbauend auf bereits vorhandenen Strategien in Schweizer Museen. Sie umfasst u. a. die konsequente Überprüfung von Neuzugängen und Leihgaben, einen transparenten und lösungsorientierten Umgang mit Verkäufen ausserhalb des NS-Machtbereichs sowie ein proaktives Vorgehen bei Verdacht auf NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut und nach Klärung spezifischer Sachverhalte ein dezidiertes Vorgehen.

Präsentation und Vermittlung

In den Räumen des Kunsthauses können über 1'100 Kunstwerke öffentlich gezeigt werden. Hauptwerke und bedeutende Konvolute werden in regelmässigen Abständen wechselnd ausgestellt, wobei auch epochenübergreifende Dialoge zwischen Gattungen und Einzelwerken geschaffen werden. Die Präsentationen geben Orientierung in der Geschichte der Kunst und eröffnen neue Perspektiven. Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler erhalten im Rahmen von kuratorischen Projekten Gelegenheit, neue Werke im Kontext der Sammlung zu schaffen.

Die Kunstvermittlung ist ein fester Bestandteil der Sammlungspräsentationen und Ausstellungen. Der Schwerpunkt liegt auf der direkten Auseinandersetzung mit den Originalen und der personalen Vermittlung vor Ort, zudem kommen gezielt unterschiedliche Medien zum Einsatz. Die Vermittlungsarbeit umfasst Angebote für alle Altersstufen und Bildungsgruppen. Dies gilt insbesondere für Schüler wie auch für Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen im Rahmen eines kontinuierlichen pädagogischen Programms sowie bei temporären Ereignissen wie der Sommerwerkstatt und thematischen Workshops. Mehrsprachige Audioguides für unterschiedliche Interessen stehen zur Verfügung. Das Angebot elektronischer Medien wird laufend ausgebaut.

Ausstellungen

Temporäre Ausstellungen haben am Kunsthaus eine mehr als hundertjährige Tradition. Sie sollen die Komplexität der Kunst verständlich machen, ideengeschichtliche Zusammenhänge erschliessen und neue Erkenntnisse liefern. Die Qualität einer Ausstellung resultiert aus der Durchdringung von thesenhafter Setzung und visueller Inszenierung. Bei den Ausstellungen, wie bei den Sammlungspräsentationen, entscheidet der Erkenntnisgewinn über das kulturelle Gewicht der Institution und ihre langfristige Attraktivität.

Das Kunsthaus Zürich führt pro Jahr durchschnittlich drei Ausstellungen im Grossen Ausstellungssaal, drei Ausstellungen mittlerer Grösse und drei Kabinett- oder Dossier-Ausstellungen durch. Das mittel- und langfristige Programm wird von den Kuratorinnen und Kuratoren erarbeitet. Den monografischen und thematischen Ausstellungen im Grossen Ausstellungssaal kommt im Gesamtbudget ein besonderes Gewicht zu, nicht zuletzt vor dem Hintergrund hoher und weiter steigender Versicherungsprämien für Leihgaben. Ohne zusätzliche Mittel von Partnern und Sponsoren wäre das Ausstellungsprogramm des Kunsthauses nicht realisierbar.

Die Ausstellungstätigkeit wird so eng wie möglich mit der Sammlung verknüpft. Das Spektrum der Ausstellungsthemen reicht vom späten 18. bis zum 21. Jahrhundert und schliesst neben klassischen Formaten auch experimentelle Ausstellungen ein. In grösseren Abständen können Ausstellungen ausserhalb dieses Spektrums stattfinden. Vielfältige Kooperationen mit internationalen Museen ermöglichen dem Kunsthaus den weltweiten Austausch von Leihgaben und Projekten. Um das Renommé des Kunsthauses als verlässlicher Partner weiter auszubauen, wird Wert gelegt auf die eigene Leistung des Hauses wie auf das hohe inhaltliche und ästhetische Niveau aller Produktionen.