Mark Rothko, Untitled (White, Blacks, Grays on Maroon), 1963, Kunsthaus Zürich, 1971. Ansicht Ausstellungsraum im Chipperfield-Bau.

Staubige Oberfläche, veränderte Farbwahrnehmung

Mit seiner Maltechnik, Farbschicht um Farbschicht auf- und aneinander zu setzten und ineinander verschwimmen zu lassen, schuf er seine unverkennbaren, samtigen Oberflächen, die den Betrachter noch heute in den Bann ziehen. Die überwiegend matten und sehr dunklen Farbfeldern, sind allerdings auch enorm empfindlich gegenüber mechanischen Einwirkungen jeglicher Art. So verursacht bereits jeder kleine Kratzer, jede Berührung Glanzbildung. Auch die durch Transporterschütterungen forcierte Craqueléebildung führt zu einer gravierenden Beeinträchtigung der Bildwirkung. Um den ausserordentlich guten Erhaltungszustand des Rothko-Gemäldes nicht aufs Spiel zu setzen, war das Werk deshalb in den vergangenen 30 Jahren lediglich 3 mal auf Reisen. Ausserdem war bei den Kunsthaus-Restauratoren der Respekt vor der empfindlichen Oberfläche so gross, dass das Gemälde bei der wöchentlichen Galeriepflege im Museum nicht abgestaubt wurde, was über die Jahre zu einer - inzwischen deutlich wahrnehmbaren - Staubschicht auf der Gemäldeoberfläche geführt hat.

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Diskussionen im Team bei der Pigmentanalyse
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Zerstörungsfreie Pigmentanalyse mit Micro-XRF Spektrometer
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Zerstörungsfreie Pigmentanalyse mit Micro-XRF Spektrometer
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Reinigungsversuche mit Pinsel und schwarzen Pigmenten
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Reinigungsversuche an fragilen Testkörpern unter dem Mikroskop
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Mobiler Kompressor mit Mikrodosiergerät und eigens entwickeltem Luftpinsel
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Oberflächenreinigung am Rothko mit dem Luftpinsel
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Während der Reinigungsarbeiten am Gemälde
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Während der Reinigungsarbeiten am Gemälde
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Linke Seite mit gereinigter Oberfläche

Oberflächenreinigung, aber wie?

Durch die Aufnahme in das «Art Conservation Project» der Bank of America bestand die Gelegenheit, sich mit Zeit und Konzentration der extrem heiklen Oberflächenreinigung zu widmen und das Gemälde für die Neupräsentation im Erweiterungsbau vorzubereiten. Ziel war es, nach einer Recherche zu den in Frage kommenden Reinigungsverfahren sowie eigenen Versuchsreihen (s. Abbildungen im Slider), die optimale Methode für die Oberflächenreinigung von «White, Blacks, Grays on Maroon» zu finden. Wichtige Inputs, lieferte hierzu vor allem der fachliche Austausch mit anderen Restauratoren in Europa und den USA, die an ihren Museen und Sammlungen jeweils wertvolle Erfahrungen bei der Oberflächenreinigung an Rothko-Gemälden gesammelt hatten. Dieser fachliche Austausch machte sehr deutlich, dass der Respekt vor den empfindlichen Oberflächen völlig zurecht bestand, und dass die bevorstehende Reinigung ausschliesslich trocken und möglichst berührungsfrei erfolgen sollte.

« Der fachliche Austausch mit Kollegen machte sehr deutlich, dass der grosse Respekt vor der empfindlichen Oberfläche völlig zurecht bestand. » — Tobias Haupt, Restaurator
« Maximales Wissen zu einem Werk beinhaltet immer auch die kunsttechnologische Erforschung. » — Kerstin Mürer, Leitung Restaurierung

In verschiedenen Versuchsreihen wurde schliesslich eine Reinigungsmethode entwickelt und verfeinert, die einen – vom Kollegen Markus Gross, Chefrestaurator der Fondation Beyeler empfohlenen - weichen Pinsel um einen kontrolliert geführten Luftstrahl ergänzte. Der aus einer Flachstrahldüse austretende Luftstrom bewirkte, dass sich zwischen den Spitzen der Pinselhaare und der Gemäldeoberfläche jeweils ein kleines Luftkissen bildete, so dass die Pinselhaare die empfindliche Gemäldeoberfläche kaum berührten (s. Video). In dieser Kombination war es möglich, den auf der Oberfläche anhaftenden Staub nahezu berührungslos zu entfernen, keine Reibung und damit Glanz zu erzeugen und die samtige Oberflächenwirkung und dunkle Tiefe wiederherzustellen.

Maroon, aber wo?

Ausserdem sollte die im Raum stehende Frage geklärt werden, warum zwar im Titel «Maroon» vorkommt, ein «Kastanienbraun» im überwiegend schwarzen Bild aber nicht sichtbar ist. Aufgrund seiner fast ununterbrochenen Ausstellungsgeschichte im Kunsthaus Zürich wurde vermutet, dass es zu lichtinduzierten Farbveränderungen gekommen sein könnte.

Die ausführlichen, zerstörungsfreien Pigment-Analysen mittels Mikro-Röntgenfluoreszenzspektroskopie (Mirco-XRF), welche im Frühsommer diesen Jahres in der Kollaboration mit dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaften (SIK-ISEA) und dem Schweizerischen Nationalmuseum durchgeführt wurden, lieferten klare Hinweise auf eine Verwendung von lichtempfindlichen Rotpigmenten. Eine Farbausmischung von Rot und Blau könnte demnach durchaus eine Art Braun ergeben haben. Allerdings zeigten Literaturrecherchen und Diskussionen mit Kunsthistorikern, dass der Begriff «Maroon» von Rothko wohl als generischer Begriff für sehr verschiedene Farbtönen verwendet wurde, d.h., dass mit Maroon nicht zwingend ein Braunton gemeint sein muss.

Die Ergebnisse der Analysen, v.a. auch mit dem Wissen um die Rothkosche Verwendung des Begriffs «Maroon», sind dann doch nicht so eindeutig, dass man eine durch zu viel Licht hervorgerufene Farbveränderung von einem ursprünglichen Braun zum heutigen Schwarz tatsächlich hätte belegen können.

Restaurator:innen: Tobias Haupt / Laura Ledwina
Projektlaufzeit: März – Oktober 2021

Das Restaurierungsprojekt wurde möglich gemacht dank Unterstützung der Bank of America Art Conservation Project.